Was sind Faszien? Ein Überblick, einfach erklärt

Was sind Faszien? Ein Überblick, einfach erklärt

Was sind eigentlich Faszien und wofür brauchst du sie? Wir bringen dir dieses komplexe, aber spannende Thema auf einfache Art und Weise näher.

Du liest Was sind Faszien? Ein Überblick, einfach erklärt ca. 7 Minuten Weiter Wann du kein Faszientraining machen solltest

Der Biologieunterricht hat sicher einiges an spannenden (oder verspannenden) Themen mitgebracht. Der Bereich der Faszien ist dabei vermutlich auch bei dir recht kurz gekommen. Aber: Die Schuld trifft hier nicht den Lehrplan. Auch für die Wissenschaft rückte das Thema erst 2007 in den Fokus. Mittlerweile ist man sich über die wichtige Rolle der Faszien im Körper weitestgehend einig. Wir bringen dir dieses komplexe Thema deshalb auf einfache Art und Weise näher.

Lass uns aber zu Beginn noch einen Blick auf den Anfang der Karriere der Faszien werfen. Wie schon erwähnt, startete diese erst so richtig im Jahr 2007. Zu dieser Zeit fand der erste „Fascia Research Congress“ in Boston statt und die Faszie tat das, was sie am besten kann: Sie vernetzte. Und zwar sämtliche Experten aus aller Welt. Maßgeblich daran beteiligt war der deutsche Faszien Forscher Dr. Robert Schleip. Auf den Ergebnissen seiner Arbeit basiert auch unser Wissen.

 

Faszien - was bedeutet das?

Faszien - vom lateinischen Wort “fascia” für Band oder Bündel abgeleitet - erstrecken sich als großes, dreidimensionales Netz über den gesamten Körper. Sie bestehen im Wesentlichen aus Wasser und Proteinen (Eiweiß). Dieser Mischung verdanken sie ihre Eigenschaften: Stabil und dennoch elastisch. Sie umkleiden die menschliche Muskulatur, deine Organe, Knochen, Gefäße und Nerven wie eine zweite Haut und gleiten reibungslos bei jeder Bewegung mit.

 

Apropos Stichwort Haut: du hast vielleicht schon gehört, dass etwa die dünne weiße Hautschicht beim Verarbeiten von Fleisch eine Faszie ist. Oder auch bei Orangen sind die weißen Häute außen und zwischen dem Fruchtfleisch gut zu erkennen. Das vereinfacht es vielleicht, dir mehr darunter vorzustellen.

Im Vergleich zu den Faszien im Körper kannst du bei Orangen die dünnen weißen Häute als "Faszien" sehen

Arten von Faszien und ihre Aufgabe

Während umgangssprachlich meist einfach nur von "den Faszien" die Rede ist, weißt du als zukünftiger Faszien-Profi natürlich, dass es hier noch eine Unterteilung gibt. Genau genommen lassen sich die Faszien des Körpers in drei Schichten unterteilen:

Oberflächliche Faszien

Sie befinden sich direkt unter der Haut und umkleiden den gesamten Körper quasi wie ein Taucheranzug. Diese Art von Faszie ist extrem elastisch. Nur wenn höhere Kräfte darauf treffen (wie zum Beispiel bei einem Schlag), verhärten sie sich, um die darunter liegenden Weichteile zu schützen. Diese Schicht ist durchzogen von Lymph- und Blutgefäßen.

Tiefe (Muskel) Faszien

Die tiefe Faszienschicht ist durch einen hohen Gehalt des Proteins Kollagen sehr zugstabil und wenig dehnfähig. Sie umgibt Knochen, Muskeln, Sehnen, Bänder, Blutgefäße und Nervenbahnen. Ihre Aufgabe ist es zum Beispiel, die Muskeln vor Überdehnung zu schützen.

Viszerale (=zu den Eingeweiden gehörend) Faszien

Sie bilden ein lockeres und verzweigtes Geflecht und sind ebenso wenig dehnbar wie die tiefen Faszien. Ihre Aufgabe ist die Aufhängung und Einbettung deiner Organe. Die viszerale Schicht umgibt unter anderem das Gehirn.

 

Hier siehst du eine Visualisierung der Muskeln und Faszien am Beispiel der Schulter

Welche Rolle spielen Faszien im Körper?

Faszien umhüllen dein Körpergewebe geschmeidig wie ein Seidentuch. Sie verbinden die Strukturen untereinander und halten sie zusammen. Sie erlauben dem Gewebe, sich zu dehnen, zu verkürzen und sich dynamisch zu bewegen. Gleichzeitig bieten sie Schutz und Stabilität. Sie dienen als tragendes Gerüst für Nerven, Gefäße und Lymphbahnen. Stell dir eine Orange ohne ihre weiße Haut vor: die Schale hält die Teile zwar zusammen.
Früher galt das fasziale Bindegewebe daher eher als Verpackungsmaterial. Ohne weitere besondere Funktion. Würdest du eine Faszie fragen, wäre sie bei dieser Aussage bestimmt beleidigt. Daher schnell weiter im Text.
  

Heute weiß man, dass Faszien mit unglaublich vielen Rezeptoren ausgestattet sind und als wichtiges Wahrnehmungsorgan dienen. Damit hat sie sogar die Haut als größtes Sinnesorgan eingeholt. Machst du beispielsweise eine zu große Dehnung oder versuchst, ein zu hohes Gewicht zu heben, meldet dir das nicht nur die Muskulatur als unangenehm. Auch deine Faszien übertragen dabei Signale an dein Gehirn und schützen die Muskulatur vor Überlastung.

Ebenso spielen sie eine große Rolle bei der räumlichen Wahrnehmung und haben somit Einfluss auf deine Körperhaltung und -bewegung. Wie dein Nervensystem ist auch das Fasziennetz mit sogenannten Rezeptoren übersäht, die ständig Signale an dein Gehirn senden.

Diese Rezeptoren sitzen in deinen Faszien

Dabei ist die Bezeichnung der Rezeptoren natürlich zweitrangig. Wichtig ist, zu sehen, wie umfangreich die Funktionen dieser Faser für deinen Körper sind.

  • Propriozeptoren - informieren dein Gehirn, in welcher Position und Stellung deine Gelenke und Muskeln sich befinden.
  • Nozizeptoren - teilen deinem Gehirn mit, wenn es zu Gewebeschädigung oder Schmerz kommt.
  • Mechanorezeptoren - lassen dich Zug, Druck und Vibration spüren.
  • Chemorezeptoren - erkennen beispielsweise, wenn Entzündungen vorhanden sind.
  • Thermorezeptoren - ermöglichen es dir, Temperaturschwankungen wahrzunehmen.

Zusammengefasst kann man also sagen: Die Faszie ist Bindegewebe und Sinnesorgan zugleich. Ein Meisterwerk der Natur, welches unseren Körper schützt und zusammenhält, ihm aber gleichzeitig genug Spielraum für ein freies, flexibles Bewegen lässt. Durch diese Tatsache nimmt man an, dass Faszien, genauso wie Muskulatur, auf Training reagieren.

 

Eine Frau sitzt am Boden und hält sich ihr schmerzendes Bein

Wie Schmerzen und Faszien zusammenhängen

Wir wissen nun also, wie wichtig die Faszien für die Bewegung des Körpers sind. Gleiches gilt auch andersherum: Bewegung ist wichtig für gesunde Faszien. Was passiert aber, wenn du dich zu wenig oder nur einseitig bewegst? Vielleicht hast du schon von "verklebten Faszien" gehört. Stell dir vor, du willst tanzen, aber dein Kostüm ist zu eng. Jede Bewegung klemmt. Du fühlst dich blockiert, eingesperrt und verspannt. Auf eine sehr vereinfachte Form kannst du dir so vorstellen, was in deinem Körper passiert, wenn mit deinen Faszien etwas nicht stimmt. Dabei ist der Begriff "Verklebung" eher umgangssprachlich zu verstehen. In dem Sinne, dass es zu Verspannungen der Muskulatur oder einer reduzierten Beweglichkeit der unterschiedlichen faszialen Schichten untereinander kommen kann.

Während wir weiter oben bereits auf die verschiedenen Schichten von Faszien eingegangen sind, folgt nun das nächste Puzzleteil zum Gesamtbild. Sämtliche Faszien bilden im Grunde gemeinsam eine Einheit, die sich von Kopf bis Fuß zieht. Man könnte daher eigentlich auch von EINER Faszie sprechen. Und in diesem einzigartigen Netzwerk findet ein ständiger Austausch an Informationen statt. Eine Fehlstellung im Fuß, die zu einem Beckenschiefstand und einer verspannten unteren Rückenmuskulatur führt, kann so Auslöser für Kopfschmerzen sein. 

Grundsätzlich ist sich die Wissenschaft mittlerweile weitestgehend einig, dass deine Faszien eine wichtige Rolle bei diversen Schmerzbildern spielen. So wird angenommen, dass fasziale Schmerzen für bis zu 85% der Rückenschmerzen verantwortlich sind. Trotzdem spielen diese bei der Suche nach der Ursache in der Schulmedizin immer noch eine sehr untergeordnete Rolle.

Viel eher wird auf eine lokale Therapie oder Schmerzmittel gesetzt. Als Folge nimmst du automatisch eine Schonhaltung ein, deine Bewegung wird noch einseitiger. In vielen Fällen breiten sich die Schmerzen so mit der Zeit über das Fasziennetzwerk auf weitere Körperbereiche aus. Steigert sich der Grad an faszialer Verhärtung, kann daraus ein breit gefächerter Symptom-Komplex entstehen. Von Migräne über Sodbrennen bis hin zu Gelenkschmerzen können allerhand Beschwerden auftauchen.

Häufige Ursachen für fasziale Schmerzen

  • Einseitige Bewegung. Vor allem auch infolge einer Schonhaltung durch bereits bestehende Schmerzen
  • Langes Sitzen bzw. zu wenig Bewegung
  • Stress und sämtliche emotionalen und psychischen Belastungen
  • Ungesunde Ernährung oder zu wenig Trinken
  • Alter
  • Schlechte Durchblutung
  • Intensives Training

Besonders faszinierend: Dein fasziales Bindegewebe hat ein Gedächtnis. Leider zählt zum Erlebten häufig Schmerz. Schmerzreize führen im Körper zu Schutzspannungen und lassen so das Gewebe verhärten. Deine Muskulatur wird steif und unbeweglich und auf die Nervenenden an den Faszien wird Druck ausgeübt. Das Ergebnis: Häufig chronische Schmerzen. Doch das musst du nicht einfach hinnehmen. Du kannst aktiv etwas gegen diese Schmerzen tun. Oder am besten dafür sorgen, dass sie gar nicht erst auftreten.

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