Wie funktioniert Faszientraining? Ein Leitfaden für Einsteiger

Wie funktioniert Faszientraining? Ein Leitfaden für Einsteiger

Du besitzt seit kurzem deine erste Faszienrolle und möchtest bei der Anwendung alles richtig machen? In diesem Leitfaden findest du alle Infos für ein sicheres Training.
Wann du kein Faszientraining machen solltest Du liest Wie funktioniert Faszientraining? Ein Leitfaden für Einsteiger ca. 11 Minuten Weiter Vermeide diese 5 Fehler beim Faszientraining

Wer hat's noch nicht erlebt? Steife Muskeln und schwere Beine nach einem langen Tag oder ein ordentlicher Muskelkater nach intensivem Training. Du fühlst dich wie ein Hybrid aus Roboter und verrostetem Gartentor? Bei der Suche nach etwas Linderung stößt man schnell auf das Faszientraining. Eine gute Selbstmassage wirkt entspannend, fördert die Durchblutung und macht deine Muskeln wieder geschmeidig. Kein Wunder also, dass sogar Therapeuten die Rollmassage für Zuhause empfehlen.

Aber was genau ist Faszientraining und wie funktioniert es? Gerade als Anfänger steht man erstmal vor mehr Fragen als Antworten. In diesem Artikel erfährst du alles, was du wissen musst, damit bei deinem Faszientraining nichts mehr schief gehen kann.

Bereit? Dann legen wir direkt mit den Basics los:

Faszien umhüllen deine Muskeln wie ein Netz

Was sind eigentlich Faszien?

Faszien kannst du dir vorstellen wie ein Netz, welches deine Muskeln umhüllt. Ähnlich wie bei einem Rollbraten. Die Faszien unterstützten den Körper in seiner Stabilität, seiner Bewegung und seiner Wahrnehmung. Aber sie sorgen auch als Gleitschicht zwischen deinen Muskeln für einen reibungslosen Bewegungsablauf. Außerdem umhüllen sie deine Muskeln nicht nur, sondern durchziehen deinen gesamten Körper in unterschiedlichen Schichten.

Lange Zeit wurde Faszientraining in der Medizin und Sportwissenschaft eher stiefmütterlich behandelt. Erst in den letzten Jahren (seit 2007) hat die Faszienforschung an Fahrt aufgenommen und dabei spannende Erkenntnisse ans Licht gebracht. So spielen sie eine wichtige Rolle für unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit.

  • Faszien sind nicht nur passive Strukturen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Kraftübertragung von Muskeln zu Muskel und sind aktiv an jedem Bewegungsablauf beteiligt.
  • Faszien sind kein totes Gewebe. Im Gegenteil. Deine Faszien sind durch und durch mit unterschiedlichsten Rezeptoren ausgestattet, welche ständig mit deinem Gehirn kommunizieren. So beeinflussen sie stark deine räumliche Wahrnehmung.
  • Faszien können für Schmerzen verantwortlich sein. Bestimmt hast du schon von "verklebten Faszien" gehört. Auch wenn dieser Begriff eher umgangssprachlich zu verstehen ist, geht man davon aus, dass Faszien der Auslöser für eine Vielzahl von Schmerzbildern sein können. Vor allem dann, wenn du dich zu wenig oder einseitig bewegst oder gerade unter Stress leidest.

Wenn du noch mehr Infos zu den Grundlagen der Faszien lesen möchtest, findest du hier einen spannenden Artikel: Was sind Faszien? Ein Überblick, einfach erklärt

Frau führt Dehnübungen im Wohnzimmer durch

Wann lohnt sich Faszientraining? 

Fehlhaltungen, Verletzungen, Überbeanspruchung, mangelnde oder einseitige Bewegung, Stress.. all das begünstigt, dass unsere Faszien irgendwann "steif" werden.

Deshalb ist Faszientraining grundsätzlich für jeden geeignet. Vorausgesetzt es bestehen keine Kontraindikationen. Selbst für Nicht-Sportler lohnt sich regelmäßiges Faszientraining, weil du so Verspannungen lösen kannst. Gerade wenn dein Alltag viel aus Sitzen oder sehr einseitigen Bewegungen besteht, profitierst du vom Ausgleich durch die Selbstmassage. Studien gehen tatsächlich davon aus, dass bis zu 85% aller Rückenbeschwerden auf fasziale Schmerzen zurückzuführen sind.

Und Sportler? Die können sich mit Faszientraining sowohl effizienter aufwärmen als auch nach dem Sport schneller erholen. Gerade im Profi-Sport wird seit Jahren auf ein "Cool Down" mit der Faszienrolle gesetzt, um die Regenerationszeit zu verkürzen.

Illustration der Faszien- und Muskelstränge im Nacken

 

Welche Arten von Faszientraining gibt es?

Aktuell geht die Wissenschaft davon aus, dass unsere Faszien auf Training reagieren. Ähnlich wie Muskeln. Dabei geht es allerdings NICHT um Kräftigung oder Wachstum deiner Faszien. Mit Faszientraining möchtest du deinen Stoffwechsel und die Funktionsfähigkeit / Beweglichkeit deiner Faszien verbessern. Dafür gibt es 3 Möglichkeiten:

  • Rollmassage
    Die Rollmassage ist die wohl bekannteste Methode des Faszientrainings. Wenn deine Faszien aus unterschiedlichen Gründen schlecht mit frischen Nährstoffen versorgt werden, oder verhärten und so ihre Gleitfähigkeit verlieren, kommt sie zum Einsatz. Stell dir deine Faszien wie ein Gartenschlauch vor, der an einigen Stellen verstopft und verhärtet ist. Mit der Rollmassage streichst du diesen aus und förderst den Abbau der Blockaden.
  • Dehnen
    Dehnen ist nicht nur gut für unsere Muskeln. Auch die Faszien kommen auf ihre Kosten, wenn wir uns dehnen. Hier kannst du dir deine Faszien wie ein Gummiband vorstellen, das seine Elastizität verloren hat. Durch gezieltes Dehnen bringen wir das Gummiband in Form und stellen die ursprüngliche Elastizität wieder her.
  • Triggerpunktbehandlung
    Die Triggerpunktbehandlung ist eine gezielte Druckmassage auf schmerzhafte Stellen (bzw. Triggerpunkte). Solche Triggerpunkte entstehen, weil kleine Bereiche deiner Muskeln unter dauerhafter Anspannung stehen, nicht gut genug durchblutet werden und nicht mehr locker lassen. Diese Punkte können durch gezielten Druck wieder gelockert werden.

Verschiedene Faszientools zur Selbstmassage

Welche Faszientools gibt es?

Je nach gewünschtem Ziel und zu behandelndem Körperbereich kannst du aus verschiedenen Hilfsmitteln für dein Faszientraining wählen. Die vier bekanntesten davon sind:

  • Faszienrollen sind zylinderförmige Rollen. Meist bestehen sie aus Kunststoff und sind in verschiedenen Größen und Härtegraden erhältlich. Die Rollen ermöglichen es, verschiedene Muskelpartien durch die Belastung mit dem eigenen Körpergewicht zu massieren.

  • Faszienbälle sind kleine, harte Bälle. Sie sollten in keinem Faszientraining fehlen, weil sie die Vorteile von Triggerpunktbehandlung und Rollmassage kombinieren und so Abwechslung in dein Training bringen. Du kannst die Bälle punktuell für eine besonders intensive Massage einsetzen.

  • Triggertools eignen sich ähnlich wie Faszienbälle zum Lösen von Triggerpunkten. Meist sind diese Pyramidenförmig. Mit einem Triggertool übst du gezielt für längere Zeit Druck auf einen Schmerzpunkt aus und löst so die Anspannung in der Muskulatur. Das kannst du vergleichen mit dem Daumen deines Masseurs.

  • Faszienstäbe sind wie Faszienrollen ein Hilfsmittel zur Selbstmassage. Im Gegensatz zur klassischen Rolle wird aber nicht mit dem eigenen Körpergewicht gerollt, sondern der Stab mit zwei Griffen über den Körper geführt. So kann der Druck selbst bestimmt werden und auch schwer erreichbare Körperstellen kommen in den Genuss einer Massage.

Mann massiert sich den Nacken mit einem Faszienstab

Wann solltest du Faszientraining machen?

Wann du Faszientraining durchführen solltest, hängt wie die Wahl des richtigen Hilfsmittels, von deinen persönlichen Zielen ab. Du kannst mit der Rollmassage sowohl dein Training ergänzen und deine Muskulatur aufwärmen, oder danach die Regeneration anregen. Ebenso kannst du nach einem langen Tag für Entspannung in deinen Muskeln sorgen.

  • Vor dem Training kann es die Durchblutung fördern und die Muskulatur aufwärmen. Eine bessere Durchblutung kann die Beweglichkeit verbessern und das Verletzungsrisiko im Training minimieren. Dafür empfiehlt sich ein vergleichsweise schnelles Rollen mit wenig Druck.
  • Nach deinem Training kann Faszientraining Verspannungen lösen und die Regeneration fördern. Der Muskelkater fällt dadurch geringer aus bzw. hält weniger lange an. Nach dem Training empfiehlt sich ein möglichst langsames Rollen mit mittlerem-hohem Druck.
  • Im Alltag kann die Rollmassage dein allgemeines Wohlbefinden verbessern. Steife Muskeln werden wieder geschmeidig und Verspannungen, die vielleicht sogar für Kopfschmerzen sorgen, gelöst. Besonders am Morgen nach dem Aufstehen, oder abends nach einem langem Tag profitierst du von einer regelmäßigen Faszien-Routine.

Die Faszien Massage sollte jedoch nicht als Ersatz dienen, wenn du zum Beispiel wegen Krankheit dein Training ausfallen lässt. In so einem Fall ist es besser, den Körper erst wieder zu Kräften kommen zu lassen.

Mann rollt sich die Waden mit einem Faszienstab

In welche Richtung und wie schnell rollen beim Faszientraining?

Zu diesem Kapitel wollen wir vorab in eigener Sache noch einen kleinen Hinweis anbringen: Die Faszien Forschung ist eine vergleichsweise junge Wissenschaft. Noch nicht alle Fragen sind endgültig geklärt und so gibt es oft kein "Richtig" oder "Falsch", sondern nur Empfehlungen. Die Frage nach der Rollrichtung ist eine solche. Leider immer wieder heiß diskutiert und oft sehr emotional aufgeladen. Im folgenden geben wir UNSERE Empfehlung. Sollte die Wissenschaft diese Frage irgendwann abschließend klären, werden wir dies entsprechend anpassen.

Grundsätzlich empfehlen wir immer ein kontrolliertes Rollen. Möchtest du durch die Massage Verspannungen lösen, solltest du ebenfalls möglichst langsam rollen. Fast wie in Zeitlupe. Warum? Je schneller du rollst, desto oberflächlicher ist die Massage. Bestimmt kennst du die Comic-Helden, die so schnell über eine Klippe laufen, dass sie nicht hinunterfallen. Wenn du zu schnell rollst, dann passiert etwas ähnliches - du erzielst keine Tiefenwirkung, sondern gleitest nur über deine Muskulatur drüber.

Außerdem empfehlen wir immer in eine Richtung zu rollen – also nicht hin und her rollen. In welche Richtung? Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule empfiehlt eine Rollrichtung, die zur Rückflussrichtung der Venen passt. Das bedeutet: Immer zum Herzen hinrollen.

Warum empfehlen wir das?

  • Du schonst die Venenklappen.
    Deine Venen transportieren das Blut zum Herzen zurück. Damit das Blut in denen Venen nicht zurückfließt, haben sie sogenannte Venenklappen. Einige Experten befürchten, dass der hohe Druck beim Faszienrollen zu Krampfadern oder einem Umschlagen der Venenklappen führen kann. Bisher gibt es für diese Annahme keinerlei Belege! Aber: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Sollten bereits Vorerkrankungen an den Venen bekannt sein, ist man mit dieser Vorgehensweise auf jeden Fall auf der sicheren Seite.

Mann massiert seine Oberschenkel mit einem Faszienstab mit hohem Druck

Welche Fehler solltest du beim Faszientraining vermeiden?

Im Prinzip kannst du wenig falsch machen. Dein Körper wird dich schnell wissen lassen, wenn ihm etwas nicht so gefällt und du kannst darauf reagieren. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die wir und unsere Therapeuten immer wieder beobachten können, die du direkt vermeiden solltest.

Fehler 1: Zu wenig oder zu viel Druck

Faszientraining braucht einen gewissen Druck. Sonst funktioniert es nicht. Wenn du nur oberflächlich über die Haut gleitest, wirst du auch bei regelmäßiger Anwendung keine Wirkung erzielen. Auf der anderen Seite hört man leider auch oft, dass die Massage nur wirken kann, wenn dabei qualvolle Schmerzen entstehen. Doch was passiert in deinem Körper bei großen Schmerzen? Er startet einen Abwehrprozess, du wirst dich noch weiter anspannen.

Wähle stattdessen einen Druck, den du gut aushalten kannst. Ein gewisser "Wohlfühlschmerz" sollte während des Faszientrainings zu spüren sein. Auf einer Skala von 1-10 solltest du dich zwischen 5 und 7 bewegen.

Fehler 2: Über Gelenke rollen

Beim Faszientraining möchtest du deine Faszien und Muskeln ausrollen. Das weiche Gewebe. Deine Gelenke benötigen kein Faszientraining. Ganz im Gegenteil: Langfristig kann das Rollen direkt auf Knochen und Gelenken sogar eine Knochenhautentzündung zur Folge haben. Auf jeden Fall wird es aber beim Rollen sehr schmerzhaft, wenn du mit einer harten Rolle zum Beispiel über deine Kniescheibe rollst.

So geht es richtig: Setze beim Rollen immer kurz vor dem Gelenk an und rolle dann gezielt den Bereich bis zum nächsten Gelenk. Nimm Muskelpartien lieber getrennt in den Fokus und arbeite dich nach und nach vor.

Fehler 3: Unregelmäßige Atmung

Auf keinen Fall solltest du deine Luft anhalten. Das passiert häufig, wenn der Druck (und dadurch der Schmerz) zu hoch ist und man sich regelrecht durch die Einheit quält. Dann wird dein Bindegewebe nämlich schlechter durchblutet und die Zellen erhalten weniger Sauerstoff.

Achte deshalb beim Rollen auf deine Atmung. Atme tief und gleichmäßig. Das wirkt zusätzlich meditativ und du entspannst dich sogar noch besser.

Eine Übersicht zu fünf weiteren Fehlern beim Faszientraining und wie du sie vermeidest findest du hier: Vermeide diese 5 Fehler beim Faszientraining

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Nun wollen wir abschließend noch drei Fragen klären, die wir häufig gestellt bekommen:

1. Wie lange solltest du pro Muskel rollen?

Generell empfehlen wir mindestens 60 bis 90 Sekunden pro Muskel, um eine spürbare Wirkung zu erzielen. Laut Studien sind mindestens 90 Sekunden nötig, um Schmerzen zu lindern. Du solltest jedoch beachten, dass du nicht nur direkt auf einem schmerzenden Punkt herumrollen solltest. Im schlimmsten Fall reizt das den Schmerz noch mehr. Bearbeite stattdessen den Muskel immer ganzheitlich.

2. Wie oft solltest du das Faszientraining wiederholen?

Beim Faszientraining kommt es auf die Regelmäßigkeit an. Das bestätigt auch die aktuelle Studienlage. Es ist wenig sinnvoll, einmal pro Woche zu rollen, dafür aber den gleichen Muskel eine ganze Stunde zu bearbeiten. Spätestens am nächsten Tag wird dir das mit einem ausgiebigen "Faszien Kater" gedankt werden. Nimm dir stattdessen mehrmals pro Woche Zeit für eine kurze Rollmassage. Am Besten schaffst du dir eine Routine, die sich in deinen Alltag integriert.

3. Wie schnell wirkt Faszientraining?

Erste Effekte von Faszientraining kannst du bereits nach wenigen Anwendungen spüren. Grundsätzlich ist aber Geduld gefragt: Jeder Körper reagiert unterschiedlich und wie bei jeder Form des Trainings müssen über längere Zeit Reize gesetzt werden, bevor eine Veränderung stattfindet. Wichtig ist, dass du dranbleibst und deine Faszien regelmäßig bearbeitest. Nur von ein oder zwei Sessions wirst du keinen dauerhaften Erfolg genießen.

Schlusswort: Unser Fazit

Faszientraining ist ein effektives und vielseitiges Tool, um Verspannungen zu lösen und die allgemeine Beweglichkeit zu verbessern. Es eignet sich sowohl für Sportler als auch für Menschen, die viel Sitzen und sich zu wenig bewegen. Durch gezielte Rollmassagen, Dehnübungen und Triggerpunktbehandlungen kannst du deine Faszien gesund und geschmeidig halten. Auch wenn es einige Dinge gibt, die du beachten solltest, kommt es trotzdem vor allem auf eines an: Das Loslegen! Taste dich einfach langsam an die Thematik heran und höre dabei auf das Feedback deines Körpers. Wie in den meisten Fällen geht probieren über studieren.

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